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Aufklärungspflichten im Rahmen eines Immobilienerwerbs


Der V. Zivilsenat des BGH hat sich mit der Frage befasst, welche Auswirkungen die Durchführung einer Ankaufsuntersuchung durch den Käufer auf die Aufklärungspflichten des Verkäufers einer Immobilie hat. (BGH V. Zivilsenat, Urt. v. 15.09.2023 – V ZR 77/22)

Sachverhalt

Streitgegenständlich ist der Verkauf mehrere Gewerbeeinheiten in einem großen Gebäudekomplex zu einem Kaufpreis von 1.525.000 Euro unter Ausschluss der Sachmängelhaftung. Durch die Verkäuferin wurde insbesondere versichert, dass keine Beschlüsse gefasst wurden, aus denen sich eine künftig fällige Sonderumlage ergebe, mit Ausnahme der Kosten für eine Dachsanierung von 5.600 Euro jährlich. Weitere Kosten bzw. Sonderumlagen sollen nicht beschlossen worden sein. Zudem heißt es in dem Kaufvertrag, dass dem Käufer die Protokolle der Eigentümerversammlungen der letzten drei Jahre übergeben wurden. Nach Abschluss der Vertragsverhandlungen wurde die Klägerin als Eigentümerin ins Grundbuch eingetragen.

Im Vorfeld des Vertragsabschlusses wurde der Käuferin der Zugang zu einem Datenraum gewährt. Auf diesem befanden sich die Beschlusssammlungen der Eigentümerversammlungen. Problematisch war in diesem Fall das Protokoll vom 1. November 2016, aus welchem hervorgeht, dass die Mehrheitseigentümerin außergerichtlich, sowie gerichtlich auf Zahlung von 50 Mio. Euro für einen im Jahr 2006 gefassten „Umbau- und Revitalisierungsbeschluss“ in Anspruch genommen werden kann. Die Geltendmachung einer Sonderumlage gegenüber den Eigentümern der Gewerbeeinheit wurde abgelehnt.

Zur Aufbringung der Sanierungskosten hatte eine andere Eigentümerin Klage erhoben. Das Verfahren endete im Jahr 2020 mit einem Vergleich, demzufolge von den Eigentümern eine Sonderumlage von zunächst 750.000 und bei Bedarf bis zu 50 Mio. Euro erhoben werden sollte.

Auf dieser Grundlage wurde die Klägerin in Anspruch genommen. Daraufhin hat die Klägerin den Kaufvertrag wegen arglistiger Täuschung angefochten und tritt hilfsweise vom Kaufvertrag zurück.

Mit der Klage verlangt die Klägerin von den Beklagten als Gesamtschuldnern die Freistellung von den zur Finanzierung des Kaufpreises eingegangenen Darlehensverbindlichkeiten, hilfsweise die Zahlung von 1.500.000 €, daneben die Zahlung von 184.551,82 € – jeweils Zug um Zug gegen Übereignung der Gewerbeeinheiten und Abtretung der Rückgewähransprüche bezüglich der eingetragenen Grundschulden – sowie die Feststellung der Ersatzpflicht für künftige Schäden und des Annahmeverzugs. Etwaige Ansprüche wurden zunächst durch das Berufungsgericht abgelehnt.

Rechtliche Bewertung

Vorliegen einer Pflichtverletzung trotz Einstellen in den Datenraum

Aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs geht hervor, dass den Verkäufer besondere Aufklärungspflichten treffen können, sofern diese Umstände eine erhebliche Auswirkung auf den Entschluss des Käufers haben können und dieser eine Aufklärung nach der Verkehrsanschauung erwarten kann.

Im vorliegenden Fall konnte dieser Aufklärungspflicht auch nicht durch die zur Verfügungstellung der Daten auf einer Datenablage genüge getan werden. Vielmehr ist darauf abzustellen, ob im jeweiligen Einzelfall mit der Kenntnisnahme zu rechnen ist.

Der BGH stellt in diesem Fall darauf ab, dass auf Seiten des Verkäufers eine „berechtigte Erwartung“ bezüglich der Kenntnisnahme durch den Verkäufer besteht. Für eine Einzelfallbewertung ist aus der Sicht des BGH auf verschiedene Kriterien abzustellen. Demnach kommt es darauf an, wie umfangreich die Informationen sind, ob diese systematisch geordnet und zutreffende benannt sind und ob ein Inhaltsverzeichnis oder eine Suchfunktion verfügbar ist. Zudem kann sich ein Unterschied aufgrund eines gesonderten Hinweises auf die Informationen ergeben.

Eine Gesamtbetrachtung dieser Umstände entscheidet darüber, ob der Verkäufer seine Informationspflichten erfüllt hat.

Die Relevanz des zeitlichen Aspekts

Im Rahmen der „berechtigten Erwartung zur Kenntnisnahme“ spielt auch der zeitliche Aspekt eine wichtige Rolle. Sofern Dokumente nachträglich oder kurzfristig vor Abschluss der Verhandlungen eingestellt werden, kann dies dazu führen, dass keine berechtigten Erwartungen zur rechtzeitigen Kenntnisnahme bestehen. Im vorliegenden Fall lag zwischen der Einstellung der maßgeblichen Dokumente lediglich ein Wochenende, sodass der BGH die berechtigte Erwartung einer Kenntnisnahme verneinte.

Weitere Aufklärungspflichten im Rahmen von Immobilienverkäufen

Grundsätzlich besteht im Fall eines Verkaufs eines Gebäudes eine Pflicht zur Offenbarung von Mängeln oder Umständen, die nach der Erfahrung auf die Entstehung und Entwicklung bestimmter Mängel schließen lassen, sofern es sich um Umstände handelt, die für den Entschluss des Käufers von Bedeutung sind, insbesondere die beabsichtigte Nutzung erheblich zu mindern geeignet sind (BGH WM 1978, 1073 [1074]; NJW-RR 2012, 1078 [1079] Rn. 21; NJW-RR 2021, 843 [845]). Bei den Mängeln, die einer Besichtigung zugänglich und damit ohne Weiteres erkennbar sind, besteht dagegen keine Offenbarungspflicht. Der Käufer kann insoweit eine Aufklärung nicht erwarten, weil er diese Mängel bei der im eigenen Interesse gebotenen Sorgfalt selbst wahrnehmen kann (BGH NJW-RR 2012, 1078 [1079] Rn. 21).

Fazit

Der BGH hat seine Rechtsprechung zur Übergabe physischer Dokumente auf die Nutzung elektronischer Datenräume übertragen. Zwar handelt es sich um eine Einzelfallbeurteilung, aber dennoch gibt das Urteil einen Ausblick auf die Reichweite der Aufklärungspflichten.

Es empfiehlt sich zur Verhinderung von Pflichtverletzungen einen festgelegten Zeitraum für das Einstellen / Übermitteln aller relevanten Unterlagen bestimmen. Zudem kann es als Verkäufer hilfreich sein, den Käufer über neue Inhalte separat zu informieren, sodass auch sichergestellt und im Zweifel auch nachgewiesen werden kann, dass die Anforderungen an die Informationspflichten eingehalten wurden. Andernfalls besteht das Risiko sich gegenüber einem Käufer schadensersatzpflichtig zu machen.

Zudem sollten Verkäufer grundsätzlich im Einzelfall prüfen, ob und welche Aufklärungspflichten bestehen, um etwaigen Schadensersatzansprüchen zu entgehen.

Ein oftmals übersehenes, aber wichtiges Beispiel für einzuhaltende Aufklärungspflichten ist das Vorhandensein von Asbest im Bestandsgebäude, welche sich teilweise auch bereits objektiv aus dem Baujahr des Objektes herleiten lassen. Der Bundesgerichtshof hat zu diesem Thema Asbest in 2009 entschieden, dass Baustoffe, die bei der Errichtung eines Wohnhauses zu diesem Zeitpunkt üblich waren, später sich aber als gesundheitsschädlich erwiesen haben, in der Regel einen offenbarungspflichtigen Sachmangel begründen, der für sich genommen vom üblichen Gewährleistungsausschluss in Kaufverträgen nicht erfasst wird.

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