Anbieter digitaler Coaching-Programme stehen vor einem erheblichen rechtlichen Risiko:
Fehlt die behördliche Zulassung nach dem Fernunterrichtsschutzgesetz (FernUSG), ist der Vertrag mit dem Teilnehmer nichtig – selbst dann, wenn es sich beim Kunden um ein Unternehmen handelt. Das hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 12. Juni 2025 (Az. III ZR 109/24) unmissverständlich klargestellt.
Damit greift das FernUSG nicht nur im klassischen B2C-Bereich, sondern auch bei Verträgen zwischen zwei Unternehmern. Die Konsequenz: Anbieter müssen mit Rückabwicklungsforderungen rechnen – auch bei bereits teilweise erbrachter Leistung.
Dieser Beitrag richtet sich an alle, die digitale Weiterbildungsformate oder Online-Mentorings anbieten und bisher davon ausgingen, sie könnten auf eine Zulassung verzichten – insbesondere, wenn ihre Angebote sich an eine unternehmerische Zielgruppe richten.
I. Ausgangslage
Ein Unternehmer hatte ein sog. „9-Monats-Business-Mentoring-Programm Finanzielle Fitness“ gebucht. Das Programm umfasste u. a. Lehrvideos, Live-Calls (mit Aufzeichnung), Hausaufgaben sowie Gruppenkommunikation über soziale Netzwerke.
Nach sieben Wochen kündigte der Teilnehmer das Programm, focht den Vertrag wegen arglistiger Täuschung an und verlangte die Rückzahlung von 23.800 €, die er bereits geleistet hatte. Die Anbieterin wies die Forderung zurück – sie argumentierte, es handele sich um individuelle Unternehmensberatung und nicht um Fernunterricht.
Das OLG Stuttgart erklärte den Vertrag wegen fehlender Zulassung für nichtig. Die Revision der Anbieterin zum BGH blieb ohne Erfolg.
II. Die Entscheidung: Voraussetzungen des FernUSG klar erfüllt
Der BGH bestätigte die Anwendung des Fernunterrichtsschutzgesetzes (FernUSG) und stellte fest, dass das Programm sämtliche Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 FernUSG erfüllte:
1. Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten
Das Programm verfolgte klar definierte Lernziele, u. a. in Marketing, Vertrieb und Strukturierung von Unternehmen. Persönlichkeitsbezogene Aspekte – etwa Blockadenlösung – traten in den Hintergrund. Auch die Selbstbezeichnung als „Akademie“ stützte die Einordnung als Unterricht.
2. Räumliche (und faktisch zeitliche) Trennung
Die Inhalte wurden überwiegend asynchron zur Verfügung gestellt. Selbst die Live-Calls waren aufgezeichnet abrufbar, sodass eine zeitversetzte Teilnahme möglich war. Diese Gestaltung erfüllt das Merkmal der räumlichen Trennung in typischer Weise.
3. Überwachung des Lernerfolgs
Teilnehmende hatten das Recht, Fragen zu stellen, Aufgaben einzureichen und Feedback zu erhalten. Damit lag eine individuelle Kontrolle des Lernerfolgs vor – ein formaler Leistungsnachweis war nicht erforderlich.
III. Rechtsfolge: Nichtigkeit – auch im B2B-Verhältnis
Da der Anbieter nicht über die erforderliche Zulassung nach dem FernUSG verfügte, war der Vertrag nichtig. Die gezahlte Vergütung war zurückzuzahlen. Besonders bedeutsam:
Der BGH stellte unmissverständlich klar, dass das FernUSG nicht nur im Verhältnis Unternehmer – Verbraucher gilt. Der Begriff des „Teilnehmers“ sei nicht verbraucherspezifisch, sondern personenunabhängig zu verstehen. Somit unterfallen auch Verträge zwischen Unternehmern der gesetzlichen Zulassungspflicht.
IV. Handlungsempfehlung
Diese Entscheidung hat Signalwirkung für den gesamten Markt der digitalen Weiterbildungsformate. Die oft vertretene Auffassung, man könne sich bei Angeboten an Unternehmer auf eine Zulassungsfreiheit berufen, ist spätestens jetzt nicht mehr haltbar.
Wer als Anbieter systematisch Wissen vermittelt und dabei methodisch strukturierte Online-Elemente verwendet, muss prüfen lassen, ob eine Zulassungspflicht nach dem FernUSG besteht.
Gerne stehen wir Ihnen für eine individuelle Beratung zur Verfügung – kontaktieren Sie uns gerne unter info@aurantia.de.