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Ersatzvornahme nach Kündigung von Bauaufträgen: Was öffentliche Auftraggeber jetzt vergaberechtskonform beachten müssen


Wenn Verträge von vergebenen Bauaufträgen scheitern, droht nicht nur der Zeitplan zu kippen – auch vergaberechtlich lauern Fallstricke. In vielen Kommunen stellt sich dann die Frage: Kann der Zweitplatzierte einfach nachrücken oder ist ein neues Verfahren nötig?

Nachrückerklausel im Bauvertrag: scheinbare Lösung mit rechtlichem Risiko

Eine Sogenannte „Nachrückerklausel“, nach denen die Restleistungen bei Kündigung ohne neue Ausschreibung an den nächstplatzierten Bieter vergeben werden sollen, klingen in der Theorie praktikabel – sind in der Praxis jedoch meist vergaberechtswidrig.

Warum? Die gängige Rechtsprechung (u. a. VK Bund, Beschluss vom 04.07.2022 – VK 2–58/22, IBR 2022, 531; OLG Koblenz, Beschluss vom 01.09.2021 – Verg 2/21, NZBau 2021, 263) sowie die EU-Richtlinie 2014/24/EU machen deutlich: Ein Wechsel des Auftragnehmers ist nur unter engen Voraussetzungen zulässig – etwa bei einer klaren, eindeutig geregelten Klausel oder bei Rechtsnachfolge durch Insolvenz oder Fusion. Beides ist in der Praxis selten der Fall.

🔍 Wichtig: Unklare Klauseln, die dem öffentlichen Auftraggeber ein freies Ermessen beim „Nachrücken“ lassen, verstoßen gegen das Transparenzgebot und führen zu einer unzulässigen Direktvergabe.

Nationale Ausschreibung als rechtssichere Lösung

Wird ein Bauvertrag rechtmäßig – etwa wegen Mängeln oder Verzug – außerordentlich gekündigt, sind die verbleibenden Leistungen vergaberechtlich als neuer, eigenständiger Beschaffungsbedarf zu behandeln. Die Folge:

👉 Eine nationale Ausschreibung nach VOB/A ist zulässig, sofern der Wert der Restleistungen unterhalb des EU-Schwellenwertes (aktuell: 5.538.000 € netto) liegt.

Dabei gilt:

  • Der ursprüngliche Gesamtauftragswert ist irrelevant.
  • Maßgeblich ist allein der aktuell prognostizierte Auftragswert der Restarbeiten.
  • Eine verkürzte Angebotsfrist kann bei nachgewiesener Dringlichkeit zulässig sein (z. B. drohende Bauschäden, Fristablauf für Fördermittel, witterungsbedingte Risiken

Praxistipp für Vergabestellen

Öffentliche Auftraggeber sollten bei Kündigungen zügig reagieren – aber nicht übereilt „nachrücken lassen“! Die sichere Variante:

  • Funktional und technisch abgrenzbares Rest-LV erstellen
  • Auftragswert isoliert schätzen
  • Vergabevermerk mit Kündigungsgrund und Prognose sauber dokumentieren
  • Vergabe national neu ausschreiben

So bleibt das Projekt nicht nur im Zeitplan, sondern auch rechtssicher.

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