Ein erheblicher Teil der Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Vorbereitung und Durchführung von Vergabeverfahren erfüllt die Voraussetzungen einer Rechtsdienstleistung im Sinne des Rechtsdienstleistungsgesetzes (RDG). Solange das Berufsfeld der „Vergabebegleitung“ nicht als zulässige Rechtsdienstleistung im Sinne des RDG anerkannt ist, ist die rechtskonforme Durchführung dieser Aufgaben ausschließlich Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten vorbehalten. Die Beauftragung nicht-anwaltlicher Dienstleister mit vergaberechtlichen Aufgaben ist mit erheblichen rechtlichen Unsicherheiten verbunden und sollte von öffentlichen Auftraggebern gut überlegt sein.
Hierzu im Einzelnen:
Öffentliche Auftraggeber stellen sich aus unterschiedlichen Gründen die Frage, ob einzelne Aufgaben oder sogar die gesamte Vergabestelle ausgelagert werden können. In der Praxis werden in diesem Zusammenhang Tätigkeiten unter anderem an Bau- und IT-Berater, Unternehmensberatungen sowie Planungsbüros vergeben. Dabei erweist sich das Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) jedoch als zentrale Grenze – insbesondere dann, wenn die Leistungen an Dienstleister ohne anwaltliche Qualifikation übertragen werden sollen.
1. Vorbereitung und Abwicklung von Vergabeverfahren sind Rechtsdienstleistungen
Gemäß § 3 Rechtsdienstleistungsgesetz dürfen außergerichtliche Rechtsdienstleistungen nur erbracht werden, wenn das Gesetz oder andere Rechtsvorschriften dies ausdrücklich erlauben. Ziel des RDG ist es, Rechtssuchende, den Rechtsverkehr und die Rechtsordnung vor unqualifizierten Rechtsdienstleistungen zu schützen. Unter Rechtsdienstleistungen versteht man gemäß § 2 Abs. 1 RDG jede Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten, die eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordert.
Im Vergaberecht gelten insbesondere folgende Tätigkeiten als Rechtsdienstleistungen:
- Ermittlung der Vergabeart
- Klärung der Losaufteilung
- Festlegung und Gewichtung von Eignungs- und Zuschlagskriterien
- Formale Angebotsprüfung
- Eignungsprüfung einschließlich etwaiger Nachforderungen
- Erstellung von Aufklärungsschreiben
Laut Dr. Christoph Kins sind darüber hinaus u. a. folgende Tätigkeiten ebenfalls als vergaberechtliche Rechtsdienstleistungen einzuordnen:
- Prüfung und Begründung des Losverzichts
- Terminplanung für das Vergabeverfahren
- Erstellung und Veröffentlichung von Vorinformationen und Bekanntmachungen
- Festlegung besonderer Vertragsbedingungen
- Erstellung des Vergabevermerks und zugehöriger Anlagen
- Prüfung und Beantwortung von Bieterfragen und Rügen
- Festlegung von Ausschlussentscheidungen und Bieterbenachrichtigungen
- Durchführung und Dokumentation der Preisangemessenheitsprüfung
- Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots
- Erstellung der Informationen nach § 134 GWB sowie der Zuschlags- oder Aufhebungsschreiben
Damit ist festzuhalten, dass ein Großteil der Tätigkeiten – von der Vorbereitung über die Bearbeitung vergabebezogener Fragestellungen bis hin zur Abwicklung – eine umfassende rechtliche Einzelfallprüfung voraussetzt.
2. Erlaubnisvorbehalt des Rechtsdienstleistungsgesetzes
Einige Dienstleister, etwa bestimmte öffentliche Beschaffungsdienstleister, versuchen sich auf § 7 RDG zu berufen. Dafür fehlt jedoch meist die rechtliche Grundlage.
Auch der Versuch, die erbrachten Leistungen als Nebenleistungen im Sinne von § 5 RDG zu qualifizieren, scheitert häufig, insbesondere wegen des fehlenden sachlichen Zusammenhangs zur Haupttätigkeit und der juristischen Anforderungen, die nicht durch technisches Fachwissen gedeckt sind.
Die Vorbereitung und Abwicklung von Vergabeverfahren kann nur dann als Nebenleistung im Sinne von § 5 Abs. 1 S. 1 RDG gelten, wenn ein notwendiger sachlicher Zusammenhang zur Haupttätigkeit besteht, die Aufgabe nicht ohne Weiteres an einen Rechtsanwalt delegierbar ist und dieselben Rechtskenntnisse wie für die Hauptleistung erforderlich sind. Gerade bei Planern oder Bau- und IT-Beratern fehlt dieser Zusammenhang meist, da ihre Hauptaufgaben technischer Natur sind. Der Bundesgerichtshof hat dies für Planungsbüros bestätigt und klargestellt, dass nur solche Rechtsdienstleistungen von § 5 RDG erfasst sind, die für das Erreichen der Planungs- und Überwachungsziele erforderlich sind. Dies ist bei der Durchführung von Vergabeverfahren grundsätzlich nicht der Fall.
Für Projektsteuerer ist die rechtliche Einordnung schwieriger, da deren Leistungsbild gesetzlich nicht eindeutig definiert ist. Wird jedoch ausschließlich die Vergabeabwicklung beauftragt, ohne dass weitere Projektsteuerungsleistungen erbracht werden, handelt es sich um eine eigenständige Hauptleistung. In solchen Fällen ist § 5 RDG nicht anwendbar, da die rechtliche Bewertung allein auf objektiven Kriterien basiert und nicht durch vertragliche Bezeichnungen beeinflusst werden kann.
3. Keine Umgehung durch Scheingestaltungen
Versuche, das RDG zu umgehen, etwa durch die Behauptung, es handele sich nicht um Rechtsdienstleistungen oder um nicht Anwälten vorbehaltene Rechtsdienstleistungen, sowie durch den Verweis auf die Letztverantwortung des Auftraggebers, greifen nicht. Rechtsdienstleistungen zeichnen sich gerade durch die eigenständige rechtliche Prüfung und Vorbereitung aus, selbst wenn die finale Entscheidung beim Auftraggeber liegt.
Auch die Betonung technischer oder wirtschaftlicher Aspekte der Vergabe ersetzt nicht die rechtliche Einordnung. Die vergaberechtlichen Rechtsdienstleistungen sind zentraler Bestandteil des Verfahrens und nicht von untergeordneter Bedeutung.
Quelle: Vergabeblog.de vom 31/07/2025 Nr. 71672 (Outsourcing der Vergabestelle? Das Rechtsdienstleistungsgesetz errichtet Schranken – Vergabeblog)